Oxymetrie in Vollblut
Das Projekt ist Teil des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Projekts "Oximetrie in Vollblut" (KF2947705TS4) und des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts "ProMAB" (13FH093PX6).
Projektmitarbeiter
Name/Vorname | Titel | Position | Raum | Telefon | |
Prof. Dr.-Ing. | Projektleitung | 64.100.00.045.00 | +49 451 300 5212 | ||
M. Sc. | Doktorand | 64.100.00.042.00 | +49 451 300 5520 |
Motivation
Die Blutgasanalyse (BGA) ist ein bedeutender Teil der klinischen Diagnostik. Zusätzlich zu den Parametern pH, pCO2, pO2, Glucose, Laktat und Elektrolyten (K+, Ca2+, Cl- und Na+), können mit einer CO-Oxymetrie-Einheit ausgestattete Geräte auch eine Analyse des Hämoglobin-Status des Patienten durchführen. Der Protein-Komplex Hämoglobin ist in hoher Konzentration in den Erythrozyten vorhanden und für die rote Farbe des Blutes verantwortlich. Er ist in der Lage Sauerstoff zu binden und diesen wieder an die Zellen abzugeben. Neben den physiologisch vorkommenden Varianten wie desoxygeniertem (Hb) und oxygeniertem (O2Hb) Hämoglobin können aufgrund von genetischen Defekten, Vergiftungen durch Gase, Chemikalien oder Arzneimitteln sowie durch Krankheiten auch pathologische Formen auftreten. Diese als Methämoglobin (MetHb), Carboxyhämoglobin (COHb) oder Sulfhämoglobin (SHb) bezeichneten Varianten können ihre ursprüngliche Aufgabe, den Transport von lebenswichtigem Sauerstoff, nicht mehr erfüllen.
Bei der optischen Konzentrationsbestimmung klinisch relevanter Hämoglobin-Derivate sind Streuprozesse an den Erythrozyten eine große messtechnische Einschränkung, da sie die zugrundeliegenden Transmissionsmessungen nach dem Prinzip von Lambert-Beer überlagern. Aus diesem Grund erfolgt die Messung bei auf dem Markt befindlichen Geräten üblicherweise in hämolysiertem Blut.
Diese Methode besitzt jedoch einige Nachteile. Sie macht eine Aufbereitung der Probe vor der Analyse erforderlich. Die Erythrozyten werden mittels Ultraschall, Druck oder chemischen Substanzen zerstört. Dieser Hämolyse genannte Prozess muss auf seine Vollständigkeit hin überwacht werden und führt zu einer irreversiblen Veränderung der Probe, was für nachfolgende Analysen ein Ausschlusskriterium darstellt. Ein Wegfall der Hämolyse vereinfacht nicht nur den Analyseprozesses sondern reduziert auch das notwendige Probenvolumen, wodurch sich weitere Vorteile für die Notfallmedizin und Neonatologie ergeben.
Projektziel
Das Ziel des Projekts "Oxymetrie in Vollblut" ist eine zuverlässige optische Bestimmung der klinisch relevanten Hämoglobin-Derivate in nicht-hämolysiertem Vollblut. Hierfür wird das Streuverhalten an den Erythrozyten zunächst rechnerisch modelliert, so dass dieses später aus bekannten Parametern bestimmt und bei optischen Messungen berücksichtigt werden kann. Das Projekt wird in Kooperation mit einem industriellen Partner durchgeführt, der Geräte zur Blutgas- und Elektrolytanalyse herstellt. Seit seiner Gründung forscht das Unternehmen kontinuierlich auf diesem Gebiet. Um die Forschung zu erweitern und zu vertiefen, wurde die Kooperation mit dem Labor für medizinische Sensor- und Gerätetechnik für die Entwicklung eines optischen Sensors zur Bestimmung der Hämoglobinkonzentration in Vollblut begonnen.
Lösungsansatz
Die optische Analyse von Vollblut ist anspruchsvoll, da dessen Erscheinungsbild von vielen Einflüssen abhängig ist, die zum Zeitpunkt der Messung unbekannt sind und zwischen verschiedenen Individuen variieren können. Zudem tritt eine ausgeprägte Lichtstreuung auf, so dass nur näherungsweise analytische Modelle existieren, deren Einsatz an enge Rahmenbedingungen geknüpft ist. In den vergangen Jahren gab es immer wieder Versuche, das Streuverhalten von Vollblut mit der Bestimmung der optischen Parameter µa, µs und g ausreichend zu beschreiben [1]. Schwerpunkt war dabei oftmals der Einfluss verschiedener Zustandsgrößen wie Hämatokrit, Osmolarität oder Scherrate auf die optischen Eigenschaften [2-5].
Um diese Problematik zu lösen, wurden mit dem Laboraufbau Daten über das optische Verhalten von Blutproben gesammelt und anschließend mittels maschinellen Lernens ein geeignetes Sensorkonzept erarbeitet, das die Blutparameter Gesamthämoglobin, Hämoglobinderivate (O2Hb, HHb, COHb und MetHb) sowie den Hämatokrit in neuen, zuvor unbekannten Proben genau bestimmen kann.
Mit dem Laboraufbau kann die Wechselwirkung von Licht mit Blutproben umfassend analysiert werden. Dabei bestrahlt eine Weißlichtquelle die Blutprobe, während diese durch eine Durchflusszelle (Küvette) mit einer optischen Pfadlänge von 100 µm fließt. Vor und hinter der Küvette sind zwei Ulbricht-Kugeln angeordnet, die sämtliche von der Probe gestreuten bzw. transmittierten Strahlungsanteile erfassen. Diese werden auf Gitterspektrometer geleitet, welche die spektrale Zusammensetzung des von der Blutprobe gestreuten Lichts zwischen 300 und 1000 nm messen. Das Ergebnis sind Profile über die Intensität einzelner Farbanteile in Reflexion und Transmission, die von der Probenbeschaffenheit abhängig sind. Blutparameter wie das Gesamthämoglobin und die Anteile verschiedener Hämoglobinderivate können dort anhand ihrer charakteristischen spektralen Muster unterschieden und bestimmt werden.
Die Blutparameter werden hierfür experimentell eingestellt und Referenzwerte erhoben, die zusammen mit den optischen Spektren in eine Datenbank überführt wurden. Diese ermöglicht das Training genauer und zuverlässiger prädiktiver Modelle. Um die Leistungsfähigkeit und Generalisierbarkeit der prädiktiven Modelle bewerten zu können, werden diese auf einen weiteren Datensatz angewendet, der aus Blutproben von Individuen bestand, die nicht für die Modellbildung herangezogen wurden.
Quellen
Nr | Autoren, Titel, Journal |
[1] | André Roggan, Moritz Friebel, Klaus Dörschel, Andreas Hahn, Gerhard Müller, "Optical Properties of Circulating Human Blood in the Wavelength Range 400-2500 nm", Journal of Biomedical Optics 4(1), 36-46, Januar 1999 |
[2] | Annika M. K. Enejder, Johannes Swartling, Prakasa Aruna, Stefan Andersson-Engels, "Influence of cell shape and aggregate formation on the optical properties of flowing whole blood", Applied Optics 42(7), 1384-1394, März 2003 |
[3] | Moritz Friebel, Jürgen Helfmann, Gerhard Müller, Martina Meinke, "Influence of the shear rate on the optical properties of human blood in the spectral range 250 to 1100 nm", Journal of Biomedical Optics 12(5), 054005, Oktober 2007 |
[4] | Moritz Friebel, Jürgen Helfmann, Martina C. Meinke, "Influence of osmolarity on the optical properties of human erythrocytes", Journal of Biomedical Optics 15(5), 055005, Oktober 2010 |
[5] | Annika M. K. Enejder, Johannes Swartling, Prakasa Aruna, and Stefan Andersson-Engels, "Influence of cell shape and aggregate formation on the optical properties of flowing whole blood", Applied Optics, Vol. 42, No. 7, March 2003 |