Labor für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik - SiWaWi
1. Einleitung
Tansania stellt eines der politisch stabilsten Länder in der Subsahara-Region dar. Trotz der erheblichen Einbußen durch ausbleibenden Tourismus infolge der Corona-Pandemie als auch der Inflation bedingt durch den russischen Angriff auf die Ukraine gelang es dem Land wirtschaftlich stabil zu bleiben. Die internationale und gesellschaftliche Öffnung des Landes werden durch stärkere Demokratisierungsprozesse begleitet und vorangetrieben. Gegen Korruption wird aktiv vorgegangen und stets versucht diese zu unterbinden.
Ökologisch hat das Land aufgrund der großen Naturparks und der gewaltigen Artenvielfalt viel zu bieten. Daraus erfolgt zwangsläufig ein globales Interesse an Natur- und Artenschutz.
Der Human Development Index (vgl. Abb. 1) benennt verschiedene Indikatoren um eine Aussage über die menschliche Entwicklung zu treffen. Unter anderem werden hierfür die Lebenserwartung bei Geburt, die erwarteten Schuljahre sowie das Bruttonationaleinkommen pro Kopf (BNE) bewertet und in ein Verhältnis zu anderen Ländern gesetzt.
Allerdings verweilt die Versorgungssicherheit mit sauberem Trinkwasser auf einem niedrigen Niveau. Dies ist u. a. darin begründet, dass es sich um eine stark wachsende Bevölkerung handelt. Die Einwohnerzahl hat sich seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt (34,46 Millionen 63,59 Millionen, Jahr 2021) und das Durchschnittsalter liegt bei 18 Jahren (Quelle: Weltbank). Zusätzlich leben nur ca. 40 % der Bevölkerung in Städten. Die zentrale Bewirtschaftung im Bereich der Siedlungshygiene ist durch die Zersiedlung somit kaum möglich. Daraus folgen stark unterschiedliche Entwicklungsfortschritte zwischen den Städten und den dörflichen Regionen.
Das integrierte Wasserressourcen-Management (IWRM) definiert Ziele für die nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen mit den Zielen zur friedlichen Lösung für die Konflikte um Wasser, wirtschaftlich schwachen Personengruppen einen bezahlbaren Zugang gewährleisten zu können und somit Krankheiten einzudämmen, welche aus der minderen Qualität hervorgehen.
Der Nexus-Ansatz definiert diesbezüglich die Wechselwirkungen zwischen Wasser, Energie und Land. Diese drei Sektoren stehen in einer starken Abhängigkeit. Es gilt: Ohne Land und Wasser ist keine Landwirtschaft möglich, ohne Wasser zur Energieumwandlung oder zum Kühlen kann keine Energie erzeugt werden. Ohne Energie zum Pumpen von Wasser, zur Lagerung oder Weiterverarbeitung kann es wiederum keine effiziente Landwirtschaft geben. (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
Somit müssen für eine gemeinschaftliche Ressourcennutzung immer alle Sektoren für die Umsetzung von Projekten miteinbezogen werden, um somit eine Benachteiligung einzelner Teilbereiche ausschließen zu können.
Dem gegenüber steht eine schwache Datenlage, die nicht nur eine fundamentierte Aussage der aktuellen Situation erschwert, sondern ebenfalls die Abstimmung und Koordination von Projekten behindert. Dieses Problem wird durch die mangelnde gesetzliche Regulierung noch verstärkt. Implementierungen von Gesetzen und Rahmenrichtlinien zum Aufbau einer geordneten Infrastruktur erfordern jedoch ebenfalls Daten.
Zusätzlich liegt eine weitere Verknappung der Verfügbarkeit von Wasserressourcen im Klimawandel begründet. Aktuelle Studien zeigen auf, dass in großen Teilen der Subsahara-Region die Anzahl der nassen Tage, der jährliche Niederschlag weniger wird und die Verdunstung zunimmt.
Interaktionen zwischen der wachsenden Bevölkerung und der teils geringen Wasserqualität sind in der unzureichenden Abwasserwirtschaft begründet. Sanitäre Einrichtungen sind nicht für alle Teile der Bevölkerung zugänglich bzw. verfügbar. Durch eine unzureichende Trennung der Stoffkreisläufe gelangen Fäkalien und pathogene Keime in das Trinkwasser. Die Entwicklung und Implementierung von Konzepten einer Abfallwirtschaft ist ebenfalls nicht großräumig vorhanden, welches zu gleichen Problematiken führt. Verstärkt wird dieses noch zusätzlich durch den Dünger- und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft.
Eine wissenschaftliche Begleitung zur Datenaufnahme und -bereitstellung, Transfer und Austausch von Wissen in der Bildung von personellen Kapazitäten, sowie der Adaption an den Klimawandel von Projekten im WASH-Bereich (Water, Sanitation and Hygiene) ist daher essentiell. Nur wenn alle Interaktionen zwischen dem Menschen und dem Wasserkreislauf bereits vollumfänglich bei der Planung und Ausführung von Projekten berücksichtigt werden, kann ein Konzept als ökologisch verträglich angesehen werden. Um die vollständige Nachhaltigkeit zu gewährleisten muss zusätzlich ein funktionierendes wirtschaftliches Konzept, als auch die soziale Verträglichkeit inkl. Betrieb durch die örtlichen Fachkräfte gegeben sein.
2. Abgeschlossene Projekte und wissenschaftliche Arbeiten
Das Labor für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der TH Lübeck führt seit über 20 Jahren Kampagnen zur Verbesserung der Grundbedürfnisse in der Mwanza-Region in Tansania durch. Der Fokus liegt auf der Umsetzung von Projekten zur Befriedigung der Grundbedürfnisse. Es werden Kampagnen und Projekte zur Verbesserung der Datengrundlage, Workshops, als auch Implementierung von WASH-Infrastruktur durchgeführt. Die wissenschaftliche Begleitung der Projekte vor Ort wird durch Mitarbeiter und Studierenden des Labors gewährleistet. Der Austausch von Wissen und Erfahrungen stellt eine Bereicherung aller Beteiligten dar.
Es folgt eine Auflistung der durchgeführten Projekte inklusive einer Kurzbeschreibung, beginnend bei den jüngst-abgeschlossenen:
Erhebung über die Dauerhaftigkeit von Brunnen, 2019
Die Bachelorthesis von Herrn Ove Speil behandelte die Langfristigkeit von Brunnen. Dieses Projekt wurde in der Mbeya-Region durchgeführt. Hierbei wurden Steckbriefe für insgesamt 74 Brunnen erstellt. Berücksichtigt wurden u. a. Baujahr, installierter Pumpentyp, die Anzahl der funktionierenden Tage bis zum Defekt sowie die Art des Defekts.
Die Ergebnisse zeigten auf, dass die durchschnittliche Betriebsdauer (Median) nur 303 Tage beträgt. 75 % der Defekte sind auf kleinere Ursachen wie beispielsweise verschließende Fuß- oder Kolbenventile zurückzuführen. Weil häufig erst nach dem eintretenden Defekt Gelder durch die lokalen Wasserkomitees gesammelt werden und es selten eine Rücklagenbildung gibt, sind die Ausfallzeiten enorm. Ebenfalls gibt es insbesondere in den dörflichen Regionen einen Mangel an Fachkräften und Ersatzteilen. Dies wird durch fehlende Standardisierung verstärkt. Häufig werden die Brunnen auch aufgegeben.
Projekt Water for Malya, 2018-2019
Zur nachhaltigen Bewirtschaftung mit Wasser wurde auf einer Ausbildungsfarm der Diözese East of Lake Victoria (ELCT/ELVD) ein existenter Tiefbrunnen mit einer 5,5 KW starken Pumpe zur Grundwasserförderung von bis zu 13 m³/h ausgestattet. Die Energieversorgung läuft autark über dazu neuinstallierte Solarpaneele. Über eine 500 m lange Druckleitung wurde der Tiefbrunnen mit einem Wasserspeicher von 200 m³ Volumen verbunden. Auf diese Weise kann über den Tag Wasser gefördert und im geodätisch erhöhten Tank gespeichert werden. Durch Tröpfchenbewässerung können bis zu 5 ha Feld über das gesamte Jahr bewirtschaftet werden. Ein Wasserverteilungsnetz ermöglicht den Bewohnern der Farm einen unkomplizierten Zugang zu sauberem Trinkwasser über Wasserkioske. Das Schulgebäude wurde zusätzlich mit 16 Tanks á 5 m³ ausgestattet, um die Bewirtschaftung des Schulgartens mit Regenwasser sichern zu können.
Viele Bewohner der Nachbardörfer nehmen dieses robuste und zuverlässige Wasserversorgungssystem ebenfalls in Anspruch.
Basic Needs Projekt, 2015
Auf Basis der Daten aus den vorangegangenen Projekten konnten insgesamt vier neue Tiefbrunnen errichtet werden. Ergänzend wurde eine Eco-San-Latrine installiert. Die Implementierung wurde durch Workshops zur Nutzung und Verbesserung der Hygiene begleitet. Finanziell wurde dieses Projekt von der Umweltlotterie BINGO unterstützt.
Basic Needs Projekt, 2011
Basierend auf den Ergebnissen der Masterthesis von Frau Marleen Klagge wurde das Projekt Basic Needs entwickelt. Hierbei wurden unterschiedliche Ansätze gewählt um die Grundbedürfnisse in einigen Dörfern östlich von Mwanza zu verbessern: Entwicklung von Sandfiltrationen für den Hausgebrauch; Workshops über anthropogene Eintragung von Verunreinigungen in das Trinkwasser und deren Resultate; Errichtung von Lehmkochstellen zur Reduktion des Energiebedarfs und der Rauchemission.
Ebenfalls wurden alle Wasserentnahmepunkte von Herrn Jan Osten in der näheren Umgebung aufgenommen. Daraufhin entwickelte er ein Model zur Grundwasserneubildung und den zur Verfügung stehenden Wasserressourcen.
Ermittlung der Grundbedürfnisse im Bereich der Siedlungshygiene, 2010
Durch die Masterthesis von Frau Marleen Klagge (geb. Krugmann) werden die Defizite und die Zusammenhänge bezogen auf die siedlungshygienischen Grundbedürfnisse aufgezeigt. Hierbei wurden insgesamt 120 Familienbefragungen zu den Themengebieten Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Regenwasser- und Energiewirtschaft vor Ort durchgeführt.
Es konnte beispielsweise festgestellt werden, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße neun Personen beträgt, der Wasserverbrauch pro Person bei ca. 23 L liegt und über 70 % der befragten Personen zumindest teilweise das Wasser aus Wasserlöchern bezieht. Die Pumpbrunnen sind von den Haushalten zwischen einem bis zu vier Kilometer entfernt. Es gibt weder eine funktionierende Abwasser- noch Abfallwirtschaft.
Die Ergebnisse konnten bei nachfolgenden Besuchen andauernd erneut beobachtet und dokumentiert werden.
Beratende Tätigkeit im Bereich der Wasserversorgung, 2001 bis 2008
Im Zeitraum 2001 bis 2008 wurde die Luther-Melanchthon-Kirchengemeinde, Lübeck in ihrer Partnerschaftsarbeit mit der Igoma-Kirchengemeinde, Mwanza wissenschaftlich bei der Errichtung neuer Brunnen in den Gemeinden Ikengele, Ihayabuyaga und Kissessa begleitet.
Darüber hinaus wurden Solar-Workshops durchgeführt, welche die Energieversorgung in privaten Haushalten verbesserte.
Erhebung der Gesundheits- und Ernährungssituation in der ländlichen Region von Mwanza, 2001
Die Studierenden Frau Daniela Karrasch und Frau Vera Kleineidam haben im Rahmen eines 3-monatigen Praktikums die Gesundheits- und Ernährungssituation in der ländlichen Region Mwanzas erhoben. Der Schwerpunkt lag in der Erarbeitung von Grundlagen für eine Verbesserung der Gesundheit der ländlichen Bevölkerung. Häufige Infektionskrankheiten, geringe Dichte von Krankenstationen sowie eine einseitige Ernährung konnten als Ursachen benannt werden.
3. Aktuelle Projekte und laufende Vorbereitungen
Electronic Taps (eTap), seit 2022
Um über den ökologischen und sozialen Ansatz hinaus Projekte nachhaltig gestalten zu können, ist die Kostendeckung essenziell. Aufrufe zur Sammlung von Geldern innerhalb der Gemeinschaften ist zwar ein häufig gewähltes, aber ineffektives Werkzeug.
Ein Wasserhahn der auf der Basis von Prepaidkarten funktioniert, soll die Einkünfte von Wasserkomitees und -verbänden auf zuverlässige Art und Weise gewährleisten. Der Verbraucher muss lediglich seine Prepaid-Karte an die dafür vorgesehene RFID-Schnittstelle platzieren und über einen Knopf die benötigte Wassermenge wählen. Daraufhin sendet die CPU einen elektrischen Impuls an ein Magnetventil, welches daraufhin öffnet. Sobald der Durchflussmesser die angefragte Menge an Trinkwasser erfasst hat, schließt dieses wieder. Der Betrag wird daraufhin von dem Prepaid-Konto des Verbrauchers abgebucht.
Die Fertigstellung eines Prototypens ist für den Sommer 2023 vorgesehen. Es folgt daraufhin eine mehrmonatige Test- und Weiterentwicklungsphase. Die Fertigstellung wird gegen Ende des Jahres erwartet. Die finanzielle Förderung erfolgt vollständig durch die Karin-Witte-Stiftung.
Vorbereitende Maßnahmen zur Einrichtung von Zweckverbänden, seit 2021
Die Wasserversorgungssicherheit vieler Dörfer in der Mwanza Region ist durch den Klimawandel stark beeinträchtigt. Ein Großteil der Wasserinfrastruktur beruht auf dezentralen Flachbrunnen, die nur wenige Meter Tiefe aufweisen. Ebenfalls wird auch auf stehende Oberflächengewässer bzw. Wasserlöcher zurückgegriffen. Im Zuge des Klimawandels nimmt die Verfügbarkeit des oberflächlichen Grundwassers jedoch stark ab und diese Brunnen sowie die Wasserlöcher fallen immer wieder über mehrere Monate trocken.
Eine ungeregelte Abwasser- und Abfallwirtschaft beeinträchtigt die Qualität des Wassers unmittelbar und führt zum Auftreten verschiedenster Krankheiten. Ebenfalls führen Dünger- und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft dazu, dass Nährstoffe und Chemikalien durch das Trinkwasser ungehindert von den Menschen aufgenommen werden.
Die in der Vergangenheit durchgeführten Projekte konnten große Erfolge in der Problemlokalisierung verzeichnen als auch zu einer Verbesserung der örtlichen Infrastruktur beitragen. Dem gegenüber steht jedoch eine mangelnde Qualität in der nachhaltigen Bewirtschaftung und Instandhaltung. Durch starke Fluktuation in den Projektgebieten, fehlende finanzielle Rücklagenbildung und teils mangelndes Knowhow ist der dauerhafte Betrieb der WASH-Infrastruktur nicht gewährleistet. Einzelne Kommunen und Dörfer können diese (teils strukturellen) Herausforderungen nicht lösen, weil sie weder über die personelle noch wirtschaftliche Stärke verfügen.
Durch die Implementierung eines Zweckverbandes und der damit verbundenen Organisationsstruktur soll geprüft werden, ob somit ein nachhaltiger Betrieb von WASH-Infrastruktur innerhalb Gemeinden und Dörfern verschiedener Größe ermöglicht werden kann.
Bei vielzähligen Treffen mit den Interessenvertretern konnte eine mögliche Satzung entworfen werden. MOUs wurden ebenfalls mit allen betroffen Kitongojis (Nachbarschaften) der Dörfer Malya, Isabilo und Kitunga unterzeichnet. Das Engagement der Bewohner wird durch die hohe Selbstbeteiligung bei den Kosten deutlich. Der Kontakt zur politischen Ebene und dem direkten Austausch mit der Bevölkerung vor Ort ist von großer Bedeutung, um die wissenschaftlichen Ergebnisse in konkreten Verbesserungen im WASH-Sektor realisieren zu können.