Internationalisierung ist wichtig und wird an Hochschulen gelebt. „Wissenschaft ist grenzüberschreitend und ohne internationalen Austausch undenkbar. Erfolgreiche Internationalisierung ist ein Schlüsselfaktor für Exzellenz in der Wissenschaft und damit auch handfeste Standortentwicklung. Die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft oder die Bewältigung des Fachkräftemangels sind ohne Internationalisierung nicht realisierbar – und hier spielen die Hochschulen in Schleswig-Holstein eben eine große Rolle“, sagt Helbig. Allerdings: Schleswig-Holstein hat aus ihrer Sicht noch ungenutztes Potential.
Schleswig-Holstein auf dem letzten Platz
„Unser Bundesland liegt beim Anteil internationaler Studierenden auf dem letzten Platz in Deutschland“, schildert die Präsidentin der TH Lübeck, die im Juni 2023 für eine zweite Amtszeit als Vizepräsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes wiedergewählt wurde. „Internationale Studierende sind besonders häufig in Ingenieurswissenschaften eingeschrieben und die große Mehrheit möchte im Anschluss an ihr Studium in Deutschland auch arbeiten. Wenn wir das mit dem akuten Bedarf seitens der Wirtschaft zusammenbringen ist eigentlich klar, dass wir hier einen Aktionsplan brauchen – am besten für alle Studienrichtungen.“
Dabei können Schleswig-Holsteins Hochschulen auf einen starken Partner bauen. „Der DAAD ist die weltweit größte Förderorganisation für den internationalen Austausch und bietet eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten für Schleswig-Holstein, um in Sachen Internationalisierung noch stärker zu werden“, ist sich Helbig sicher.
So bietet der DAAD neben umfangreichen Förderangeboten auch individuelle Beratung für Hochschulen, um erfolgreiche Internationalisierungsprogramme anzubahnen. „Ein Leuchtturm ist natürlich das Programm ERASMUS+, mit dem schon viele tausend Studierende positive Erfahrungen mit einem Aufenthalt im Ausland sammeln konnten“, sagt Helbig. Der DAAD ist in Deutschland für die Organisation des ERASMUS+ Programms zuständig.
So kann Schleswig-Holstein aufholen
Um Schleswig-Holstein in Sachen Internationalisierung nach vorne zu bringen, schlägt Helbig einen Aktionsplan vor. „Wichtig wäre beispielsweise eine Verknüpfung von Landeszielen mit der Internationalisierung an Hochschulen, sowie eine Verankerung von Zielen im Koalitionsvertrag sowie im Hochschulvertrag“, sagt Helbig. Dazu gehört aber auch die Ehrlichkeit, dass Internationalisierung Ressourcen benötigt. „Wir können nicht einfach internationale Studierende an unseren Hochschulen einschreiben, ohne ihnen dann beispielsweise ausreichend Sprachkurse oder Betretung anbieten zu können – das wäre nicht fair und die Gefahr von Studienabbrüchen ist zu hoch.“ Gute Rahmenbedingen würden die notwendige finanzielle Unterstützung des Landes erfordern.
Dass diese Investition sich lohnt, davon ist Helbig überzeugt. Denn viele der Herausforderungen, vor denen Schleswig-Holstein in den nächsten Jahren steht, lassen sich aus Sicht der Lübecker Hochschul-Präsidentin konkret mit der Internationalisierung an Hochschulen verknüpfen. „Wie wir bei der Ansiedelung von Northvolt sehen, hat Schleswig-Holstein das Potential, das Energiewendeland Nummer Eins innerhalb Deutschlands zu werden“, sagt Helbig. „Hochschulen tragen durch ihre Expertise und Vernetzung sowie natürlich durch ihre Studierenden und Absolvent*innen zur Innovationskraft bei – gerade für global agierende Unternehmen gehört hier der internationale Aspekt einfach dazu.“
Um internationale Strahlkraft zu gewinnen, schlägt sie vor, beispielsweise das Welcome Center in Kiel auch auf Studierende und Wissenschaftler*innen und Geflüchtete auszurichten und den Übergang in den Arbeitsmarkt für Absolvent*innen zu entbürokratisieren, die Abbruchquoten internationaler Studierender durch gezielte Maßnahmen zu senken und Synergie-Effekte zu nutzen, etwa mit der Marketing-Agentur des DAAD, um internationale Studierende und Wissenschaftler*innen für Schleswig-Holstein zu gewinnen. „Gerade Hochschulen sollten hier darauf verzichten, mühsam Eigengewächse aufzubauen, wenn es doch bereits etablierte und erfolgreiche Strukturen gibt“, sagt Helbig.
Aufgaben in Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam denken
Von Landesseite wünscht sie sich, dass im Bereich der Internationalisierung ressortübergreifend agiert wird, beispielsweise die Aufgaben in Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam gedacht werden. Internationale Delegationsreisen noch stärker mit der Wissenschaft verbunden werden. „So könnte der Ministerpräsident beispielsweise auf seiner Delegationsreise nach Japan 2024 das Deutsche Wirtschafts- und Innovationshaus des DAAD in Tokio besuchen – das wäre ein Zeichen, dass diese Themen auch auf Landesebene hohe Priorität genießen“, schlägt Helbig vor. Weiterhin müssen Hochschulen strukturell in der Daueraufgabe Internationalisierung gestärkt werden. Ganz konkret sollen Programme wie das für Geflüchtete weiter unterstützt und Einrichtungen wie das Studienkolleg dauerhaft gestärkt werden. „Ein enorm wichtiger Faktor ist die Schaffung von studentischem Wohnraum. Mit bezahlbaren Unterkünften könnte Schleswig-Holstein sich von allen anderen Bundesländern abheben und ein gewichtiges Alleinstellungsmerkmal erzielen.“
Notwendig sei auch politische Unterstützung für den DAAD, die Goethe-Institute, die Alexander von Humboldt-Stiftung und für weitere Bund-Länder Programme zur Internationalisierung. Denn Helbig ist sicher:
„Wenn Bund, Land und Hochschulen an einem Strang ziehen, dann kann Schleswig-Holstein einen riesigen Sprung nach vorne machen.“