Westworld, I, Robot, Frankenstein – Eine von Menschenhand geschaffene künstliche Intelligenz fasziniert und inspiriert Autor:innen und Filmemacher:innen seit Jahrzenten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten. Dabei werden Hoffnungen und Ängste geschürt, Utopien wie Dystopien geschildert und die Legende eines künstlichen, mehr oder weniger frei denkenden, fühlenden Wesens kreiert. Diese Fiktion schafft einen Zauber rund um künstliche Intelligenz, der mit den reellen Möglichkeiten und Chancen wenig zu tun hat. Wenn wir heute von künstlicher Intelligenz sprechen, dann ist damit beispielsweise die selbstständige Klassifizierung von Fotos durch den Algorithmus eines Suchmaschinenbetreibers gemeint, aber auch die Übersetzung von Texten und intelligentere Rechtschreibkorrekturen, die die Grammatik einer Sprache berücksichtigen und auch Schreibtipps geben können. Es geht darum, Muster in komplexen Datensätzen zu erkennen und Fleißaufgaben durch Algorithmen erledigen zu lassen. Dafür müssen große, unsortierte Datenmengen automatisiert verarbeitet, klassifiziert und ggf. transformiert werden.
Die Chancen der KI bestehen darin, dass der Mensch bei sich wiederholenden, unkreativen und ggf. fehleranfälligen Arbeiten durch künstlich intelligente "Assistenten" begleitet werden kann. Es geht dabei nicht darum den Menschen zu ersetzen, sondern vielmehr seine Fähigkeiten zu verstärken. Z. B. das Sprachniveau bei nur mittelmäßig vorhandenen Sprachkenntnissen durch KI-basierte Schreibassistenten zu verbessern,
erläutert Nane Kratzke, Co-Sprecher der Fachgruppe Künstliche Intelligenz in Anwendung (KIA) der Technischen Hochschule (TH) Lübeck. An der TH Lübeck werden dabei Methoden der KI und des Maschinellen Lernens in vielfältigen Anwendungsfeldern wie bspw. Akustik, Cloud Computing, Data Science, e-Learning, Hydrologie, IT-Sicherheit, Kommunikationssysteme, Medizintechnik, Predictive Maintenance, Mensch-Computer-Interaktion oder Regelungstechnik angewendet.
Darüber hinaus engagiert sich die Hochschule darin, Wissen in Bezug auf KI über verschiedene Plattformen und Netzwerke zu teilen und verfügbar zu machen.
An der THL wird dabei aktuell u.a. an Anwendungen gearbeitet, wie sich
- KI zur Reduktion von Studienabbrüchen,
- zur Patientendiagnostik und
- der Optimierung von Kommunikationsnetzen einsetzen lässt.
Lernen mit KI
„Wir könnten Studienabbrüche an Hochschulen inzwischen mit einer relativ guten Trefferquote vorhersagen“, so Monique Janneck, Leiterin des Instituts für Interaktive Systeme der TH Lübeck, „allerdings sind die dafür benötigten Informationen bislang häufig weder für Studiengangsleitungen, Lehrende noch für Studierende zugänglich.“ Im Projekt DiSEA wollen die Forschenden der TH Lübeck und der Berliner Hochschule für Technik daher Rückschlüsse über den Studienerfolg aus dem Nutzerverhalten der Studierenden in einem Lernmanagement-System ziehen. Dafür werden die Methoden des maschinellen Lernens verwendet. Die daraus entwickelten Modelle sollen in Frühwarnsystemen eingesetzt werden, um Studierenden eine Rückmeldung zu ihrem Lernverhalten geben und gefährdete Studierende gezielter beraten zu können. Die Einwilligung der Studierenden zur Auswertung der Nutzungsdaten ist dabei essentiell: „Wie in allen KI-Projekten steht und fällt die Qualität der Anwendung mit der Qualität der Daten, die ihr zugrunde liegen“, erläutert Projektleiterin Janneck.
Wir sind daher darauf angewiesen, dass die Studierenden ihr Einverständnis geben und beziehen sie eng in den Entwicklungsprozess ein, um die Akzeptanz zu fördern und ein Lösungen zu entwickeln, die für die Studierenden einen echten Mehrwert bieten.
Patientendiagnostik mit KI
In ländlichen Regionen ist es oft umständlich, den nächsten Facharzt zu erreichen. Insbesondere mobilitätseingeschränkte Patient:innen müssen einen hohen Aufwand betreiben, um die nächste Praxis zu erreichen. Gleichzeitig ist in der Medizin oft eine schnelle und patientennahe Diagnose notwendig. Daher beschäftigen sich Forschende der TH Lübeck und der Universität zu Lübeck damit, wie Hausärzt:innen das Smartphone für die Diagnose von Augenkrankheiten nutzen können.
Aktuelle Smartphones bieten sich auf Grund ihrer Verbreitung und der bereits eingebauten Sensorik und Rechenkapazität für diese Aufgabe an, werden aber zurzeit nur vereinzelt und rudimentär eingesetzt,
erläutert Horst Hellbrück, Leiter des Kompetenzzentrums CoSA der TH Lübeck die Idee des Projekts PASBADIA. Die qualitativ hochwertigen Kameras zusammen mit in Smartphones verbauten Lichtquellen (LED-Blitz), erlauben die Umsetzung optischer Diagnoseverfahren aus dem Bereich klassischer Geräte. Mit den entsprechenden Aufsätzen und Softwareanwendungen kann der Hausarzt das Smartphone nutzen, um grundlegende Augenuntersuchungen durchzuführen und den Patient:innen damit den Weg zu Augenärzt:innen ersparen. Die künstliche Intelligenz hilft dabei, die Messdaten korrekt zu interpretieren und Behandlungsoptionen aufzuzeigen.
KI für Funknetze 5G
Gut funktionierende Funknetze sind ein maßgeblicher Faktor einer Infrastruktur eines modernen Landes. Der Innovationsbericht der Smart Service Welt zeigt, dass mobile und dynamische Funknetze einen stetig wachsenden Einsatz in der Industrie und medizinischen Versorgung finden. Damit das optimal funktioniert, müssen die zur Verfügung stehenden Kommunikationsressourcen wie zum Beispiel die Frequenzbereiche und die Bandbreitevon 5G Netzen dynamisch auf Bedarf zugeteilt werden. Mit Hilfe von KI können die Forschenden unter Leitung von Prof. Hellbrück vorhersagen, wer welchen Ressourcenbedarf hat. Damit unterstützen sie eine optimale Verteilung der Ressourcen und gestalten das Netz zuverlässiger. Die Wirksamkeit dieser Unterstützung wird in einem Testfeld in Schleswig-Holstein gezeigt.
Wissen teilen
Als öffentliche Hochschule ist es der TH Lübeck besonders wichtig, Bürger:innen, Unternehmen und Einrichtungen an ihrem Wissen über KI teilhaben zu lassen. Deswegen gibt es an der Hochschule diverse Projekte, um diesen Wissenstransfer zu unterstützen. Im KI-Transfer-Hub Schleswig-Holstein soll gemeinsam mit der WTSH insbesondere der KI-Wissenstransfer für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erfolgen. Die Anwendung von KI-Technologien gilt als bedeutsamer Faktor für künftige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Daher sollen die regionalen Unternehmen vom Wissen der Hochschule profitieren. Der Aufbau eines innovativen Netzwerkes im Bereich KI-Transfer bündelt die KI-Kompetenz des Landes und macht sie als Leuchtturm über die Landesgrenzen hinaus sichtbar. Ergänzend dazu wurde auch ein niedrigschwelliges digitales Qualifizierungsangebot für KMU und deren Beschäftigte für den Einstieg in das Thema Künstliche Intelligenz und seine Anwendungsmöglichkeiten geschaffen.
Darüber hinaus entwickelt die Hochschule die Bildungsplattform Future Skills für Schleswig-Holstein. Im Fokus des digitalen Curriculums steht insbesondere eine Grundausbildung zur Künstlichen Intelligenz (KI), die sowohl Hochschulinhalte als auch externe Inhalte einbezieht.
Woche der KI in Lübeck
Vom 15. bis 19. November 2021 findet in Lübeck die „Woche der KI“ statt, am 25. November 2021 die nächste Ausgabe der „BioMedTec Ideas“. Hier geht es zum Programm.