“Lübeck was founded in 1143 and for over 600 years nobody really tried to occupy the city”, informiert Carolin Teubert und blickt in die erwartungsvollen Gesichter chinesischer Studierender. Die kleine Gruppe steht im Halbkreis um die Stadtführerin herum und lauscht ihrem Vortrag. Zwei Studentinnen tuscheln. Die Stimmung ist so fröhlich wie das Wetter an diesem warmen Herbsttag, der durch eine ordentliche steife Brise, norddeutscher nicht sein könnte.
Dass sie an einer Stadtführung durch Lübeck teilnehmen könnten, sogar überhaupt nach Deutschland einreisen würden, hätten einige ECUST Studierende Anfang des Jahres noch für undenkbar gehalten. Viele der Chinesinnen und Chinesen zögerten, ihre Koffer zu packen und für das Austauschprogramm den Weg bis in den Hohen Norden Deutschlands an die Technische Hochschule Lübeck auf sich zu nehmen. So beschreibt es auch die information technology Studentin Xue Gongao: “I almost gave up my opportunity to come to Germany because of the corona-situation.” Kurzentschlossen kaufte die 20-Jährige dennoch ein Ticket und scheute keine Kosten, um nach Deutschland zu kommen. “We bought the tickets two days before arriving here. We were so incertain whether to come to Germany or not. I paid 20.000 Yuan, normally it is 2.000. So, it is ten times the price”, erläutert die Studentin weiter. Nun läuft sie, wie viele ihrer Mitstudierenden und einigen Chinabuddys, in einer kleinen Gruppe durch Lübeck. Dabei wendet sie ihren wachen Blick in Richtung der Spitze des wohl bekanntesten Wahrzeichens von Lübeck.
Die Gruppe wechselt die Straßenseite und blickt auf die beeindruckende Schieflage des Holstentors. Stadtführerin Carolin Teubert gibt zu bedenken: „The Holstentor remained. This was a lucky incident, because there was a decision in the main city parliament, if they should deconstruct it, or not.” Nach Jahren des Verfalls sei es dann 1863 zu einer historischen Entscheidung in der Bürgerschaft gekommen: „Just one vote more said ‚Yes, we have to keep it‘. Imagine, it was really a sharp decision. One vote an then they decide to restaurate it.“
Das Wort Schietwetter
Carolin Teubert führt die Gruppe weiter in Richtung Petersgrube. Hier treffen viele Baustile aufeinander, was viele der anwesenden Studierenden zu interessieren scheint. Auf einem Schaubild zeigt die Stadtführerin, wie früher ein typisches Haus eines Hansekaufmanns aufgeteilt war. Über den Wohnraum, bis zum ‚Plumpsklo‘ ist alles aufgeführt. Was nicht fehlen darf: die Erklärung, wie das Wort Schietwetter zustande kam. Stadtführerin Teubert weiß dazu mehr: “Sometimes you hear in German ‘Schietwetter’, which means that it is rainy. Because then, all the things from the toilet were put into the pits and were flushing down to the rivers.” Gelächter schallt unter den Masken der Studierenden hervor. „And now you can imagine why nobody was drinking the water out of the Trave or the Wakenitz. No, in the middle ages everyone was drinking beer, even the little kids”, ergänzt die Stadtführerin.
Wie es wieder sein kann
Ob die chinesischen Studierenden die deutsche Bierkultur und viele andere kulturelle Gepflogenheiten richtig kennenlernen können, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Sehr engagierte Betreuung steht ihnen mit den Chinabuddys zur Seite. Gemeinsam werden sie hoffentlich in absehbarer Zukunft erleben dürfen, was ein Aufenthalt an der TH Lübeck alles zu bieten hat. Aber für den Moment, bleibt es beim Kopfkino und dem Träumen – wie es wieder sein kann.
Weitere Informationen
- Deutsch-Chinesisches-Studienmodell der TH Lübeck und der ECUST