Professor Heiner Lippe hatte das Thema gemeinsam mit den Fachbereichsangehörigen Dipl.-Ing. Angela Zett und M.A. Stefan Gruthoff entwickelt. Sie stießen damit auf die aktuelle Diskussion um Wohnraumschaffung und Nachhaltigkeit.
Aktuelle Statistiken machen auf einen sehr hohen, jährlichen Neubaubedarf an Wohnungen in Deutschland aufmerksam. Danach sind bis zum Jahr 2030 jährlich rund 230.000 neue Wohnungen nötig, um der Wohnungsnachfrage gerecht zu werden. Eine Möglichkeit diese Zielmarke zu erreichen, ist das Thema der Nachverdichtung, also neuen Wohnraum in vorhandener Infrastruktur zu schaffen. Gedacht wird dabei an Dachaufstockungen, die eine zukunftsweisende Möglichkeit sein können.
Studien der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts Hannover aus dem Jahr 2015 schätzten, dass sich ca. 1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen auf den Dächern von Mehrfamilienhäusern in Großstädten und Ballungsräumen bauen ließen. Rund 580.000 geeignete Mehrfamilienhäuser gibt es, die, zwischen 1950 und 1990 gebaut, in Gegenden mit einem angespannten Wohnungsmarkt stehen. Um eine oder zwei Etagen aufgestockt, entstünden 1,12 Millionen neue Wohnungen mit einer jeweiligen Wohnfläche von 85 Quadratmetern.
Vor diesem Hintergrund lautete die Aufgabenstellung, einen oft vorzufindenden Gebäudetyp der 60er Jahre mit zwei zusätzlichen Wohngeschossen zu versehen. Das Thema wurde von der Trave Grundstücksgesellschaft mbH positiv aufgenommen und für die TH-Studierenden der Architektur im Schwerpunkt Bauen mit regenerativen Baustoffen als Wettbewerb organisiert.
Unter dem Arbeitstitel Wood on top sollten die Studierenden in Teams zu jeweils zwei Personen neben der energetischen Ertüchtigung des Bestandsgebäudes, Möglichkeiten der Aufstockung in Holzbauweise auf typische Wohnbauten der 60er Jahre entwickeln. In der Aufgabe, eine anspruchsvolle, zukunftsweisende Gestaltung zu generieren, ging es auch darum zu prüfen, wie durch entsprechende Maßnahmen komplette oder auch partielle Typengenehmigungen angestrebt werden können.
Ausgangslage für den Wettbewerb war ein Gebäudetyp, der häufig in Lübeck und Umgebung zu finden ist. Die Auswahl fiel auf typische 60er-Jahre Mietshäuser in Moislingen.
In der Aufgabenstellung galt es, mögliche beeinflussende Randbedingungen einer Aufstockung wie bspw. Grenzabstände, Verschattung, Stellplätze, Kellerräume, Fahrradabstellplätze ebenso zu berücksichtigen, wie auch Abweichungen in den Bauordnungen der Nordländer (HH, NDS, S.-H.) in Bezug auf Gebäudeklassen, Baustoffe, Brandschutz oder Barrierefreiheit herauszufinden, zu benennen und zu listen, um so Grundlagen für weitergehende Diskussionen und Schritte zu schaffen.
Vormittags tagte eine Jury, die sich aus Fach- und Sachpreisrichtern zusammensetzte und fieberhaft die 25 eingegangenen Arbeiten bewertete. Auslober Dr. Matthias Rasch, Geschäftsführer Trave GmbH Lübeck und Stefan Kofeld, Leiter Technik/Prokurist Trave GmbH Lübeck gehörten wie auch Ralf Stamer, Vizepräsident der Handwerkskammer Lübeck (HWK), Innung Baugewerbe Lübeck und Detlef Aue, Lübecker Bauverein zum Kreis der Sachpreisrichter.
Reinhold Wuttke, Vizepräsident der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein (AIK SH), Christoph Schild, Vizepräsident der Architektenkammer Niedersachsen (AK NDS) , Henning Klattenhoff, Assmann Beraten+Planen, Hamburg sowie Prof. Wolfgang Willkomm, HafenCity Universität Hamburg (HCU), bildeten das Team der Fachpreisrichter.
Nach intensiven Gesprächen und Diskussionen stand das Ergebnis fest. Die Jury betonte die durchweg großartigen Ideen und qualitativ hochwertigen Arbeiten. Sie bescheinigte allen Arbeiten ein überdurchschnittliches Niveau und tat sich schwer, das Gewinnerteam zu ermitteln. Am Ende hob sie besonders die strikte Durcharbeitung der Modularisierung bei den prämierten Arbeiten hervor.
Den ersten Preis, dotiert mit 400 Euro, konnte das Team Durchblick mit Torre Waltje und Alexander Gnärig für sich entscheiden. Durchblick bedeutet bei dieser Arbeit, den zukünftigen Bewohner*innen ein angenehmes „Durchwohnen“ von Ost nach West zu ermöglichen. Durch die auch in der Höhe variierten Elemente, entsteht zusätzlich eine gut strukturierte, jedoch dabei sehr lebendig wirkende Dachlandschaft, so die Jury-Begründung.
Der zweite Preis, dotiert mit 300 Euro, ging an das Team Mit Räumen bauen mit Luca Groth und Ferdinand Storjohann. Das Urteil der Jury zum zweiten Preis war schlicht: Die Arbeit Mit Räumen bauen zeigt, wie gut funktionierende Grundrisse in einer schlichten, dabei aber harmonisch gestalteten Modulaufstockung angelegt werden können.
Den dritten Preis, dotiert mit 200 Euro, holten sich Lara Jessen und Jasmin Jacobsen vom Team 11 Wohnungen in 11 Wochen. Hier war die Jury angetan von der Sichtbarmachung der Montageschritte und führte dieses auch in der Begründung an: 11 Wohnungen in 11 Wochen zeigt neben einer interessanten Gestaltung auch die möglichen Montageschritte der zwei Geschosse auf - beeindruckend.
Zwei weitere Anerkennungen, dotiert mit jeweils 100 Euro, gingen an das Team Andersen’s Neues Altes Haus von Emma Matzen und Maike Dolata und an das Team 45 Grad von Patricia Buttgereit und Laura Binder.
Bei der Arbeit 45 Grad lobte die Jury den offensiven Gestaltungswillen. Sie war von der Idee angetan, dass mehrere, um 45° gedrehte Einzelkörper, den viergeschossigen Sockel wie ein kleines Dorf zieren.
Andersen’s Neues Altes Haus ist dem Titel nach inspiriert von einem Andersen Märchen und beeindruckte die Jury durch die Unterbringung der zwei neuen Geschosse in einem großen Mansardendach, die sich so bestens in die Nachbarbebauung integrieren.
Angetan von den Ergebnissen des Wettbewerbs, inspiriert durch die vielfältigen Ideen und gespickt mit den Eindrücken von der Jurorenarbeit ging es für die Fachleute anschließend in einen „Runden Tisch“. In Anwesenheit von Kristina Herbst, Staatssekretärin für Inneres, Ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein tauschten sie sich aus über die Themen Nachhaltigkeit und Wohnraumgewinnung durch Aufstockung. Dabei erörterten sie die Möglichkeiten, wie dieses Thema zielführend weiterentwickelt werden kann.
Der vorangegangene Wettbewerb hatte mannigfache Ideen und Anregungen ausgelöst, die am Runden Tisch zum Thema Wohnraumschaffung durch Gebäudeaufstockung und Nachhaltigkeit diskutiert wurden. In dem knapp dreistündigen Austausch mit Staatssekretärin Kristina Herbst sowie weiteren Teilnehmer*innen aus der Wohnungswirtschaft, den Architektenkammern, dem Ingenieurwesen und den Hochschulen wurde die Basis gelegt, das Bauen mit Holz in Schleswig-Holstein zu thematisieren und weiter zu befördern.
Weitere Informationen
- Der Fachbereich Bauwesen der TH Lübeck
- Der Bachelor-Studiengang Architektur an der TH Lübeck
- Der Master-Studiengang Architektur an der TH Lübeck