Anfang Mai dieses Jahres haben die Stadt Oldenburg in Holstein und das Kieler Architekturbüro „ax5“ gemeinsam einen studentischen Ideenwettbewerb ausgelobt. Dieser wurde als ein zusätzlicher Impuls für Architekturstudierende des dritten Semesters im Fach Entwerfen+Baukonstruktion initiiert und von den Professoren Heiner Lippe und Stephan Wehrig als ein gesondertes Semesterarbeitsthema formuliert.
Unter dem Titel „near 10.000“ hat „ax5“ den Entwurf eines Multifunktionsgebäudes zur Aufgabe gemacht und den Ideenwettbewerb als Förderpreis 2018 mit einem Preisgeld versehen. Hintergrund war der Gedanke, dass der studentische Ideenwettbewerb unvoreingenommen Ideen generiert, um damit Grundlagen für weitergehende Diskussionen und Schritte bei der Neuorientierung des Ortskerns zu bekommen. In keinem Fall konkurrieren die Ergebnisse der studentischen Arbeiten mit dem Aufgabenfeld der freien Architekturbüros und werden deren Arbeit nicht ersetzen.
Aktuelle Situation in Oldenburg in Holstein
Zurzeit hat Oldenburg, als Ergebnis eines sich lang abzeichnenden strukturellen Wandels, große Probleme im zentralen Innenstadtbereich. Zunehmende Leerstände prägen das Ortsbild, Rückgang der Ladendichte und –vielfalt sowie funktionale und gestalterische Mängel im öffentlichen Raum mit fehlender Aufenthaltsqualität deuten einen akuten Handlungsbedarf an. Vor diesem Hintergrund leitete sich auch die Aufgabenstellung des Ideenwettbewerbs ab. Die Studierenden sollten sich Gedanken und Ideen über Um- und Neuorientierungen machen zur Stärkung des Ortskerns mit der Entwicklung zu einem Ort der zentralen Versorgung mit besonderen kulturellen Qualitäten und Aufenthaltsmöglichkeiten. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Entwicklung angemessener Nachnutzungskonzepte für die bereits leerstehenden und die von Leerstand bedrohten Gebäude sowie auf der Attraktivierung der Einkaufsbereiche, der Förderung des Tourismus und der Stärkung und Weiterentwicklung der Innenstadt als Wohnstandort.
Die Planungsaufgabe beinhaltete die Schaffung eines oder mehrerer Gebäude mit maximal zwei Vollgeschosse für die Nutzung als Bürger- oder Mehrgenerationenzentrum, bestehend aus einem oder mehreren Gebäuden mit definiertem Raumprogramm unter Beachtung folgender Konditionen: zwei Mehrzweckräume für weniger als 200 Personen (Versammlungsstättenverordnung), Verlagerungen einer Bibliothek und eines Kinos mit zwei bis drei kleineren Sälen,eine Touristeninformation mit Empfangsbereich und Lagerraum,ein Jugendtreff mit Raum für das Musikmachen, Spiele, Austausch etc. sowieWohnungen in einem mittleren Standard (in Größenordnungen zwischen 50m²und 75m²).Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Architektur sollten die geplanten und verwendeten Materialien entsprechend aus regenerativen Materialien sein.
Bis Ende Juni 2018 hatten die Studierenden Zeit, die Aufgaben umzusetzen und sich einer Jury zu präsentieren. Insgesamt nahmen 46 Studierende in Zweierteams und Einzelarbeiten an diesem Ideenwettbewerb teil.
Bereits kurz nach dem Ende der Einreichungsfrist traf sich die Jury, die sich aus einem Sachpreisgericht, besetzt mit Martin Voigt, Bürgermeister, Stefan Gabriel, Bauamtsleiter, Detlef Ruwoldt, Bauausschussvorsitzender und Klaus Zorndt, Stellvertreter und dem Fachpreisgericht, besetzt mit Architekt R. Wuttke, Neumünster; (Vizepräsident der AIK), Architekt D. Struve, Kiel, Architekt K. Lorenzen Silbernagel, Schleswig, und Architekt C. Burghardt, Lübeck Anfang Juli zu der entscheidenden Sitzung zusammen fand.
Die ausgewählten Arbeiten wurden vor der Ausstellungseröffnung der Bauabschlussarbeiten am 12. Juli 2018 bekanntgegeben. Ausgezeichnet wurden die ersten drei Platzierungen, zwei weitere Arbeiten wurden mit Sonderpreisen geehrt. Der Bürgermeister Martin Voigt der Stadt Oldenburg und Jochen Dohrenbusch von ax5 gaben die Jurywertungen in umgekehrter Reihenfolge mit Platzierungen bekannt und überreichten die Preise an die Studierenden.
Den 1. Preis konnte das Team Ali Al-Saadi und Christin Luther für sich entscheiden. Die Jury begründete die Platzierung wie folgt: „Der erste Preis zeichnet sich durch eine klare städtebauliche Aussage aus. So erhält der historische Marktplatz im nördlichen Bereich eine definierte Begrenzung und die Nabe an der Burgtorstraße wird durch eine Straßenrandbebauung geschlossen. Die nördlich am Platz angedachte Bebauung wird jedoch durch eine im richtigen Maßstab formulierte attraktive Gasse eingeschnitten. Ein in Szenesetzen dieser Wegebeziehung Marktplatz/Wallanlage erfolgt dann durch den vor dem Grün positionierten Aussichtsturm als Point de vue. Die entwickelten Baukörper erhalten ihre Qualitäten durch modern interpretierte Gestaltungen des in Oldenburg bekannten Satteldachtyps und lassen viele spannende und strukturelle Möglichkeiten erkennen.“ (Jurymitglied R.Wuttke)
Den 2. Platz und Preis belegte das Team mit Dennis Kruse und Benedykt David Wawrzyniak mit dem Juryurteil: „Der zweite Platz erhält seine Qualität durch seinen deutlichen landschaftsplanerischen und städtebaulichen Ansatz. Die Baumreihe des Marktplatzes wird bis an den Wall herangezogen und kreiert insofern ein deutliches und attraktives Verbindungselement zwischen Marktplatz und Wallanlage. Die hochbaulichen Aktivitäten passen sich schlüssig und klar strukturiert an dieses Konzept an. Am nördlichen Ende dieser Baumreihe -transparent und doch gut erlebbar- befindet sich der Turm mit der Sehbrücke als Attraktion und weiteres Highlight.“ (Jury Mitglied R.Wuttke)
Der 3. Preis ging an das Team mit Michel Drube und Dennis Monteiro Reixelo. Die Jury urteilte wie folgt: „Der dritte Platz wählt das Thema des nördlichen Begrenzens der Marktplatzsituation mit einer in diesem Bereich beginnenden Allee, welche zu der Wallanlage und zu einem Wallförmigen massiven Baukörper mit den unterschiedlichen Sondernutzungen führt. Dieses Thema wird deutlich formuliert. Es werden jedoch bei dem Baukörper am Wall die städtebaulich gewünschten Qualitäten, insbesondere die Maßstäblichkeit zur Burgtorstraße und die Durchblicke von dem Innenhof zur Wallanlage in Frage gestellt. Hochbaulich sind diverse Möglichkeiten vorhanden, welche bei einer Überarbeitung reizvoll herauszuarbeiten wären.“ (Jurymitglied R.Wuttke)
Darüber hinaus vergab die Jury zwei Sonderpreise. Der Sonderpreis mit dem Thema „Am Wallgarten“ ging an das Team Sarah Deborah Platt und Marie Helga Ingeborg Wötzel.
Die Begründung dafür: „Der Sonderpreis wurde bei dieser Arbeit vergeben, da hier ein sehr reduzierter Ansatz gewählt wurde, indem ein Park als Bindeglied Wallanlage/Marktplatz gewählt wurde. Städtebaulich wurde die Burgtorstraße durch eine moderne und maßstabsgerechte Bebauung geschlossen. Die Eingangssituation vom Marktplatz ist nicht klar und zu offen dargestellt. Die Attraktion des Parks stellt ein Kunstturm mit einem direkt verbindenden Brückenbauelement zur Wallanlage dar. Die Möglichkeiten der Parkanlage, der Bezug Hochbau/Park und die städtebaulichen Spannungen sind in Ansätzen erkennbar, bedürfen aber der weiteren und tieferen Bearbeitung.“ (Jurymitglied R.Wuttke)
Der zweite Sonderpreis mit dem Thema „In Bewegung“ ging an das Team Jan Christoph Fromm und Farsad Khorrami mit der Begründung: „Dieser Sonderpreis zeichnet sich durch die große Geste in direktem Bezug zu der Wallanlage aus. Ein sichelartiger Baukörper ermöglicht einerseits die direkte Erschließung der Wallanlage, andererseits werden durch die Form unterschiedlichste Nutzungen entspannt und ohne die Maßstäblichkeit zu sprengen untergebracht. Diese Form bildet jedoch auch das Problem von ungelösten Freiräumen, die Nutzungstechnisch im nächsten Schritte zu untersuchen sind. Die Verbindungstraße zwischen der eigenständigen Großform und dem Markplatz ist noch undifferenziert und ist zu entwickeln.“ (Jurymitglied R.Wuttke)
Abschließend bedankten sich die Auslober dieses Ideenwettbewerbs mit dem Hinweis, dass eine ganze Reihe guter Ideen und Gedanken im Rahmen des Projekts entstanden sind, die es nun gilt auf anderer Ebene zu diskutieren. Beide Parteien waren sich sicher, dass die eine oder andere Idee sicherlich vertieft werden kann und bei der weiteren Planung und dem Fortgang der Ortsentwicklung berücksichtigt werden wird.