125 (+) Jahre in einer Chronik
Vom Meister zum Master
Zur Geschichte der Lehre im Bauwesen
Ein Beitrag anlässig der 125 (+) Jahr Feierlichkeiten des Fachbereichs Bauwesen der TH Lübeck.
Die ersten Absolventen der neuen Baugewerkschule Lübeck.
Warum diese Herren sich in die Schule begaben und dafür auch noch Geld bezahlten und wie sich die Ausbildung von leitenden Baufachleuten, Baumeistern und Ingenieuren in Deutschland und speziell in Lübeck entwickelt hat, davon berichtet dieser kurze Beitrag anlässlich der 125+ Jahr Feierlichkeiten für das Bauwesen in Lübeck.
Text: Prof. Dr.-Ing. Joachim Heisel
2021 jährte sich die Gründung der Baugewerkschule Lübeck im November 1896 zum 125. Mal. Der Fachbereich Bauwesen der TH Lübeck steht in der Nachfolge und kann nun – corona-bedingt mit einem Jahr Verspätung – diese vielen Jahre der Lehre im Bauwesen würdigen. Die Ursprünge einer systematischen Ausbildung für Bauleute reichen in Lübeck allerdings noch deutlich weiter zurück:
1795 gründete die Gesellschaft zur Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten im Sinne aufklärerischer Ideale eine Freye Zeichenschule.
Ihre Aufgabe war es, die ästhetische Bildung und das intellektuelle Niveau der Handwerkerschaft, insbesondere der Bauhandwerker, zu heben. Mauer- und Zimmermeister waren bis weit ins 20. Jahrhundert die Schöpfer der meisten Bauwerke und ihr technisches und gestalterisches Können daher von zentraler Bedeutung. Unter der Leitung des bekannten Architekten Joseph Christian Lillie entwickelte sich die Freye Zeichenschule zu einer kleinen Akademie mit besonderen Baurissklassen. 1841 überführte die Gemeinnützige die Zeichenschule in eine Gewerbeschule, die neben dem weiterhin wichtigen Zeichenunterricht auch Mathematik und Naturwissenschaften im Programm hatte. 1875 übernahm die Stadt Lübeck die bis dahin private Gewerbeschule. Man bot bald eigene Fachkurse und schließlich eine Fachschule für Bauleute an. Aus diesem Zweig der Gewerbeschule ging auf Grund des starken Bedarfs an qualifizierten Fachkräften in der Gründerzeit 1896 die Baugewerkschule Lübeck hervor.
Während die Zeichenschule und die Gewerbeschule nur abends und sonntags Unterricht anboten, gab es nun einen Ganztagsunterricht über 4 Klassen und ab 1911 über 5 Klassen von je einem halben Jahr Dauer. 1901 kam eine Tiefbauabteilung dazu. Hoch- und Tiefbauer hatten die ersten beiden Halbjahre gemeinsamen Unterricht.
Der Erste Weltkrieg und die folgenden wirtschaftlichen Probleme führten dazu, dass ab 1923 nur noch die ersten Klassen im Winterhalbjahr unterrichtet werden konnten und die Schüler danach zu anderen Bauschulen wechseln mussten. Erst 1933 konnte die Einrichtung als städtische Höhere Technische Lehranstalt für Hochbau wieder 5 Klassen anbieten. Die Ansprüche wurden erhöht, die Schüler nannten sich nun Studenten und die Halbjahre hießen nun Semester.
1937 wurde die Einrichtung vom preußischen Staat als Staatsbauschule übernommen. Sie sollte nun wieder eine Tiefbauabteilung sowie einen großen Neubau bekommen. Der Zweite Weltkrieg machte alle Pläne zunichte.
Als Staatsbauschule Lübeck nahm man sofort nach dem Zweiten Weltkrieg die Lehre wieder auf.
1969 kam die Ingenieurschule für Bauwesen als Fachbereich Hoch- und Ingenieurbau zur neu gegründeten Fachhochschule in Lübeck. Die Studiendauer betrug nun 8 Semester. 1971 konnte der Fachbereich zwei neue Gebäude auf dem FH-Campus beziehen. Beinhaltete die Lehre im Hochbau bis dahin viele Themen des Bauingenieurwesens, so änderte sich dies mit der Neugliederung der FH im Jahr 1977: Es entstand ein Fachbereich Bauwesen mit zwei Studiengängen: Architektur und Bauingenieurwesen.
Die 1980er- und 1990er Jahre sind durch eine weitere Differenzierung der Studiengänge mit Vertiefungsrichtungen gekennzeichnet, die man nach dem Vordiplom wählen konnte, etwa Verkehrswesen, Umwelttechnik oder Stadtplanung. In diese Zeit fällt auch der Aufbau internationaler Beziehungen – insbesondere zu China – und die Stärkung von Forschungsaktivitäten.
Die Umsetzung der Beschlüsse von Bologna mit dem zweistufigen System von Bachelor und Master sowie die Konzentration aller Bauwesen-Studiengänge des Landes Schleswig-Holstein in Lübeck im Jahr 2007 waren die zentralen Aufgaben der 2000er-Jahre. In Zusammenarbeit mit den neuen Kollegen von der FH Kiel überführte man die zentralen Studiengänge Architektur und Bauingenieurwesen in das Bachelor-Master-System. Dank der personellen Stärkung war es auch möglich, dringend notwendige und heute gut nachgefragte Studiengänge wie Stadtplanung, Nachhaltige Gebäudetechnik und Water Engineering anzubieten. Die bessere personelle Ausstattung erleichterte zudem den weiteren Ausbau der Forschung und die Betreuung von Promotionen.
Der Fachbereich Bauwesen der TH Lübeck kann einerseits auf eine lange Tradition zurückblicken und ist gleichzeitig für die Zukunft gut aufgestellt.
Zeitstrahl - Zusammengefasst von 2021 bis 1795
2021 | WiSe: Beginn Bachelorstudiengang Stadtplanung (SB) - Festakt 125 Jahre Bauwesen in Lübeck | 2018 | Fachhochschule Lübeck wird Technische Hochschule Lübeck | 2017 | WiSe: Beginn Bachelorstudiengang: Energie- und Gebäudeingenieurwesen (EGB), ab 2021Nachhaltige Gebäudetechnik (NGB) | 2015 | Ende der Umbauten und des Neubaus des Bauforums - Rückzug von Geb. 37 in Geb. 14 + 15 | 2014 | Gründung des Chinesisch Deutschen Institutes für Angewandte Ingenieurwissenschaften (CDAI) - Beginn des Master-Studiengangs „Environmental Engineering“, ab 2021 „Water Engineering“ (WEM) | 2010 | 1. Lübecker Bautag für Architekten und Bauingenieure - Beginn der Kooperation mit der Zhejiang University of Science and Technology (ZUST) | 2007 | Zusammenlegung der FB Bauwesen der FH Kiel und der FH Lübeck in Lübeck - Beginn des Masterstudiengangs Stadt- und Ortsplanung - Start StudiLe Bau | 2006 | Einweihung der Versuchskläranlage Reinfeld - Umbau- und Erweiterung Halle 3 | 2004 | WiSe 04/05: Beginn der Bachelorstudiengänge Architektur und Bauingenieurwesen | 2003 | Beschluss zur Zusammenlegung der Studiengänge Bauwesen in Lübeck zum WiSe 2007 |
1999 | Erklärung von Bologna zur Harmonisierung europäischer Hochschulen - Bau der Halle 3 | 1987 | Erste Verleihung Schütt Preis | 1983 | Erste Verleihung Possehl Preis | 1980 | Erste Verleihung des Abschlusses: Dipl.-Ing. (FH) | 1977 | Dozierende werden Professor:Innen - Neugliederung der FH: FB Bauwesen mit Studiengängen Architektur und Bauingenieurwesen | 1976 | Hochschulrahmengesetz: Gleichstellung von Fachhochschulen und Universitäten | 1973 | Staatliche Fachhochschule Lübeck wird Fachhochschule Lübeck | 1971 | 1971: Umzug in die Stephensonstraße 1 im WiSe 1971/72 - 25 Fachhochschullehrer 270 Studenten | 1970 | Ab WiSe 1970/71: Entfall der Studiengebühren | 1969 | Zusammenlegung der Lübecker Ingenieurschulen zur Staatlichen Fachhochschule Lübeck für Technik und Seefahrt mit Studiengängen Architektur und Bauwesen; 8 Semester | 1964 | 367 Studierende; Abschluss Ing-Grad. - Gründung einer Öffentlichen Baustoffprüfstelle | 1963 | Gründung der Fördergesellschaft der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen Lübeck e. V. | 1961 | Gründung der Staatlichen Ingenieurschule Lübeck - ohne Bauwesen | 1959 | Lehre nun 6 Semester - Mittlere Reife erforderlich - Hochbau- und Ingenieurbau getrennte Studiengänge | 1958 | Überlegungen zur Zusammenlegung zur Baugewerkschule Eckernförde | 1956 | Staatsbauschule Lübeck, Ingenieurschule für Bauwesen |
1946 | 173 Schüler, Umzug zum Langen Lohberg 24 - Einrichtung einer Tiefbauabteilung | 1945 | Schleswig-Holstein übernimmt Landesbauschule Lübeck, Sitz: Seefahrtschule | 1942 | Schulgebäude wird Amtsgebäude u.a. für Bauschäden | 1940 | Lehrkräfte + Schüler werden eingezogen | 1939 | Ingenieurtitel für Absolventen - Beginn des 2. Weltkriegs | 1938 | Umzug nach Langer Lohberg 24 | 1937 | Schule wird Staatsbauschule des Landes Preußen | 1935 | Umzug in das Gebäude Musterbahn 2 | 1934 | Nazifizierung der Lehranstalt: Ariernachweis, Staatsbürgerkunde, Führungszeugnisse | 1933 | Wiederaufnahme des Regelbetriebs als Höhere Technische Lehranstalt: Sitz: Johannistraße 32 | 1925 | Notbetrieb der Hochbauklassen in den Winterhalbjahren, Sitz: Parade 2 | 1923 | Schließung der Baugewerkschule | 1918 | Ende des 1. Weltkriegs | 1914 | Beginn des 1. Weltkriegs - Schüler werden eingezogen - Notklassen | 1913 | Zulassungsbedingungen: 16 Jahre, mehrklassige Volksschule, Aufnahmeprüfung, 1 Jahr handwerkliche Tätigkeit | 1912 | Schulgeld beträgt 100 Reichsmark/Semester für Lübecker und 125 RM für Auswärtige | 1911 | Erhöhung der Ausbildung von 4 auf 5 Semester | 1909 | 240 Schüler im Wintersemester | 1906 | 154 Schüler im Wintersemester | 1905 | 53 Schüler im Sommersemester | 1901 | Einrichtung einer Tiefbauabteilung | 1900 | 64 Schüler im Wintersemester - Gründung Tiefbauabteilung | 1899 | 10 Schüler im Sommersemester | 1896 | 1. November, Gründung der Baugewerkschule, Sitz: Am Domhof 4 |
1892 | Lehre der ersten beiden Bauschulklassen | 1889 | Fachschule für Bauhandwerker | 1888 | Fachkurse für Bauhandwerker | 1876 | Einführung von Baukonstruktionskursen im Winter | 1875 | Stadt Lübeck übernimmt die Gewerbeschule von der Gemeinnützigen | 1846 | Intensivierung des Zeichenunterrichts an der Gewerbeschule, Baustilunterricht | 1841 | Zusammenlegung der Zeichenschule mit der Gewerbeklasse zur Gewerbeschule | 1839 | Die Zeichenschule erreicht mit 411 Schülern ihr Maximum | 1836 | Kritik an der Zeichenschule: Geringe Eigenständigkeit der Schüler, zu wenig Technikunterricht | 1828 | Schüler gehen nun öfter anschließend zur Berliner Bauakademie oder zu Baugewerkschulen | 1827 | Tod Lillies - 154 Schüler an der Zeichenschule | 1809 | Die Zeichenschule bekommt Klassen für die Prinzipien der Baukunst und für Architekturentwurf | 1805 | Umgestaltung der Zeichenschule zu einer kleinen Akademie nach Kopenhagen Vorbild | 1804 | Joseph Christian Lillie übernimmt die Leitung der Zeichenschule |
1799 | Einrichtung einer Baurissklasse an der Freyen Zeichenschule | 1795 | Gründung der „Freyen Zeichenschule“ durch die Gemeinnützige - 20 Schüler |
Während der gesamten Festwoche haben Sie die Möglichkeit Vorlesungen im Fachbereich Bauwesen zu besuchen. Hierzu informieren wir Sie im BAUFORUM.
Die Programmübersicht zum Mitnehmen: Programmübersicht (PDF)